Entscheidungslösung statt Widerspruchslösung

Vielleicht sind Sie über den geistlichen Impuls in den Erlanger Nachrichten vom 20. Juli gestolpert? Da schrieb ich mit leichter Feder über ein ernstes Thema, die Organspende. Aktuell hat der Bundesrat am 5. Juli 2024 beschlossen, einen Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen, mit dem die sogenannte Widerspruchslösung die bisher in Deutschland geltende Zustimmungslösung ersetzen soll. Das bedeutet: Wer zu Lebzeiten einer Organspende nicht widersprochen hat gilt als Organspender bzw. -spenderin. Mit den Einschränkungen, dass eine Organentnahme bei Personen, die nicht in der Lage sind, Wesen, Bedeutung und Tragweite einer Organspende zu erkennen, grundsätzlich unzulässig sein soll. Und wenn kein schriftlicher Widerspruch vorliegt, sollen die Angehörigen gefragt werden, ob die Person zu Lebzeiten einen entgegenstehenden Willen geäußert hat.

Das Ziel dieser Initiative teile ich: Die in Deutschland vergleichsweise niedrige Zahl an Spenderorganen, die zur Verfügung steht, soll erhöht werden. Damit mehr schwer kranken Menschen mit einer Transplantation geholfen werden kann.

Den Weg dahin kann ich allerdings nicht unterstützen: Es wäre dann so, dass sich die Allgemeinheit ein Eingriffsrecht in den Körper bzw. Leichnam eines am Hirntod verstorbenen Menschen sichert; wer so stirbt, wäre grundsätzlich verpflichtet, seinem zum Zeitpunkt des Hirntods durchaus in Teilen funktionierendem Körper lebenswichtige Organe entnehmen zu lassen. An Stelle einer Spende würde qua Gesetz eine grundsätzliche Organabgabepflicht eingeführt.

Immerhin: Das Recht, sich selbst für oder gegen die Organentnahme zu entscheiden bliebe erhalten.
Allerdings: Die Nicht-Äußerung, das Schweigen oder Nicht-Dokumentieren würde als Zustimmung vereinnahmt. Vereinfacht: "Sie sagen nichts? Dann sind Sie ja dafür." Würde man auf diese Art einen Mobilfunkvertrag an der Haustür abschließen - er wäre ungültig. "Sie sagen nicht Nein? Sehr schön, hier haben Sie den Lollaphone-xxl-Tarif!" Undenkbar. 

Mit der Widerspruchslösung ist ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte verbunden, der m.E. unnötig zu weit geht. Es wäre ein minderer Eingriff und würde absolut ausreichen, uns zu einer Entscheidung und Dokumentation zu verpflichten. Zum Beispiel beim Beantragen eines Ausweises, Führerscheins, einer KFZ-Anmeldung oder bei einer Wohnsitzanmeldung.

Mit ein Wunsch des Bundesrates ist es, die Bürgerinnen und Bürger dazu anzuhalten, sich mit dem Thema Organspende zu beschäftigen Oh ja, bitte, und zwar gekonnt und mit "Wumms", damit tatsächlich alle, die spenden wollen, das auch so entscheiden und dokumentieren.

Frank Nie

Informationen über die Gesetzesinitiative des Bundesrates finden Sie hier: Klick!
https://www.bundesrat.de/DE/plenum/bundesrat-kompakt/24/1046/13.html;js…