Viele Jahre, bis Weihnachten mehr wurde als ein Familienfest
Meine Eltern waren überzeugte Atheisten. Sie hörten allerdings nicht auf nach Gott zu fragen,
denn sie könnten sich ja irren! Als ich fünf Jahre alt war, lernte ich Jesus in kindgerechten Geschichten kennen,
die unsere alte Kinderfrau vorlas. Ich lernte daraus, dass Jesus einem bei Traurigkeit hilft, Sterbende in den Himmel bringt, wo es leckere Erdbeermarmelade gibt und dass wir uns immer bedanken sollen. Als ich acht war, durfte ich bei einer – wohl katholischen - Bauernfamilie in den Ferien sein. Dort hing ein großes Kreuz mit einem Mann daran im Wohnzimmer. Das sei Jesus, sagte mir die Bäuerin, er habe uns so erlöst. Das kapierte ich gar nicht und sie konnten es mir nicht so erklären, dass ich es begriff. Diesen meinen so geliebten Jesus hatten die Menschen getötet? Um uns zu erlösen? Wovon denn? Wieso so? Vierzig Jahre lang sollte mich diese Frage noch in vielen Variationen beschäftigten, denn die später vorgegebenen Antworten der Theologen hinterließen nur Leere in mir.
Mit 13 bekam ich zum ersten Mal Religionsunterricht, aber der erreichte mein Herz leider nicht. Mit 17 dann geschah mir etwas Umwerfendes. Daraus schloss ich, dass es doch einen Gott gibt und ließ mich taufen. Meinen Eltern gefiel das nicht, aber sie respektierten es. Jesus, der immer irgendwie in mir ein großer Bruder geblieben war, wurde jetzt noch anders wichtig. Was hat er gesagt? Was getan? Ich wurde zu einer Bibelleserin, einer hartnäckigen Fragerin und Nachdenkerin! Jesus aber blieb mein Gefährte und ließ mich seinen Vater als liebend, zärtlich und vergebend entdecken. Das war nicht nur spannend, sondern es tat so gut. Seit ich vor 26 Jahren mit dem kontemplativen Jesusgebet zu leben begann,
ist er endgültig mein Orientierungspunkt in meinem Alltag.
Und so wandelte sich für mich die Bedeutung des Weihnachtsfestes von einem geschenkreichen Familienfest in ein Freudenfest darüber, dass ich Jesus, inzwischen für mich wirklich das Licht der Welt, in meinem Herzen intensiv kennenlernen durfte und dieses Licht mich manchmal gänzlich so stark durchdringt, dass ich voller stillem Staunen darüber bin.
Übrigens, nach den langen 40 Jahren habe ich meine Antwort nach der Erlösung usw. finden dürfen, die mich auch heute noch völlig trägt. Darüber zu erzählen, wäre aber eine andere Geschichte…
Stans Möhringer
Ehrenamtliche Krankenhausseelsorgerin MKG