Adventsmail - 18. Dezember 2023

Verschiedene Rituale, ein Sinn


In Brasilien geboren und aufgewachsen, feierte ich 27 Jahre lang Weihnachten in voller sommerlichen Stimmung. Dazu gehörten bunte kurze Kleider, bewegende Musik, eiskalte Cocktails und vielfältiges Essen. Viel Essen. So viel, dass man tagelang schlemmen konnte. Und natürlich traf man sich mit der ganzen Familie. Alle, wirklich alle, waren dabei. Auch Cousinen, die davor unbekannt waren. Beim Vaterunser am Tisch hörte sich das Gebet wie ein Lied an, das von einer Mischung aus großen und kleinen Stimmen geformt war. Geschenke? Ja, selbstverständlich. Jedes Jahr hatten wir die Hoffnung, dass wir etwas anderes als Socken von der Oma bekommen würden. Aber jedes Jahr die Enttäuschung sie wieder beim Auspacken zu entdecken. 

Heiß, laut, bunt, lebendig, so war unsere Weihnachtsfeier. Weihnachten bedeutete für mich Leben.

Vor 16 Jahren heiratete ich und kam nach Deutschland. Es war ein typisch grauer November. Kurz vor Weihnachten. Diese Zeit hieß „Adventszeit“, erfuhr ich hier. Alles war anders als sonst. Der Dezember war für mich zu kalt und zu dunkel. Die Bäume schienen mir tot. Sie hatten kein einziges Blatt. Nach dem Gottesdienst am Heiligabend gingen wir zu zweit, mein Mann und ich, nach Hause, schauten einen Film und aßen fertige Pizza. Auch wenn die Lichter der Kerzen und der Schnee ein sehr charmantes Szenario kreierten, kam mir alles wie ein unechtes Bühnenbild vor. Kein Mensch war auf der Straße. Was blieb von meiner geprägten Weihnachtsstimmung? Wo war der Sinn von Weihnachten, wenn alles Lebendige scheinbar verschwunden war?

Eines Tages bei der Gebetszeit kam mir der Gedanke: Weihnachten ist doch auch hier Leben. Das Leben von Jesus. Er war und ist immer noch der Grund, warum wir Christen Weihnachten feiern. Hier in Deutschland. Dort in Brasilien. Auf der ganzen Welt. Egal ob bei einer Sambaparty oder beim Geschichten lesen rund um den Adventkranz. Gott, der Mensch geworden ist, ist der Ehrengast bei dieser Feier. Und das Geschenk bringt Jesus selbst mit. Er schenkt uns Leben. Hier und nach dem Tod. Er ist selbst das Leben (Johannes 11,25+26, Bibel, Neues Testament).

Lasst uns einen Blick auf unsere Weihnachtsrituale werfen und den Sinn der Feier wiederentdecken. Die Bräuche können sehr unterschiedlich sein. Aber eigentlich ist nicht das Wichtigste wie wir feiern, sondern wen wir feiern. Ohne Jesus hat Weihnachten keine wirkliche Bedeutung.

Mit der Zeit lernte ich die deutschen Weihnachtstraditionen kennen und hatte Freude daran. Vor allem mit unseren Kindern. Der Geruch von Plätzchen macht Lust auf eine Tasse Tee und einen kuscheligen Abend in Familie. Inzwischen sind Socken wieder Teil unserer Weihnachtsfeier. Bei der brasilianischen Hitze blieben sie unbenutzt in der Schublade aus Liebe zur Oma. Hier werden sie am Heiligabend getragen und rutschen über den beheizten Boden. Alle Jahre wieder.

Poliana Netto Ferreira
Ausbildungskurs Ehrenamtliche Klinikseelsorge 2023