Leere aushalten
Seit Tagen steht sie auf meinem Tisch – eine flache Schale aus Ton. Wunderschön, wie sie dasteht, offen und leer. Was könnte man da alles reintun. Tannenzweige mit einer roten Kugel drauf. Oder in die Mitte ein goldener Engel? Oder trockene Blätter mit Zimtsternen drauf! Ich kann mich einfach nicht entscheiden.
Also frage ich einen Freund:
„Was würde dir besser gefallen? Zweige, Engel oder Blätter?“ – Schweigen – „Na, sag schon.“ – „Wieso etwas reintun?“ –
„Na, das geht doch nicht. So leer. Da muss doch was rein.“
„Wieso etwas reintun?“ Typisch Mann, denke ich und beschließe, eine Freundin zu fragen. Aber er bleibt sperrig und hakt nach.
„Wieso etwas reintun?“
„Na das sieht doch nach nichts aus. Nur so eine einfache Schale. Alle schmücken jetzt ihre Wohnungen, und in den Läden ist überall Weihnachtsdeko – O.k., manches ist schon an der Kitschgrenze. Aber eine leere Schale. Das geht doch nicht. Das macht mich ganz nervös.“
„Aha. Nervös. Interessant.“
Der Mann macht mich wahnsinnig, denke ich und wechsle das Thema.
„Moment mal. Lauf doch nicht gleich davon, ich meine es ernst.
Leere macht dich nervös? Da würde ich mal darüber nachdenken.“ – „Wieso?“ – „Naja, könnte ja sein, dass dir das nicht nur bei der Schale so geht.“
Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Aber er ist jetzt hellwach.
„Schlag mal deinen Terminkalender auf, ist da Leere? Nein. Weil Leere dich nervös macht. Und wie ist das mit nächstem Sonntag? Hast du noch nichts geplant. Aber schon tausend Ideen, was man alles machen könnte. Weil Leere dich nervös macht. Aber Advent feiern wollen. Und aufs Christkind warten.“
Langsam ahne ich, was er meint.
„Schau mal!", meint er. "Geht’s dir nicht in vielem wie mit der Schale?
Du hast dein Leben vollgestopft bis oben hin mit Treffen, Terminen und Projekten. Aber wie soll Gott dir was schenken, wenn deine Schale bis zum Rand gefüllt ist? Wo soll er hin mit seinem Geschenk für dich? Mit einem lieben Wort, einem himmlischen Fingerzeig?
Mach deine Schale leer. Werde in Gottes Namen ein bisschen nervös.
Erst mal. Und dann schau dich um, rieche, atme. Sei einfach da.
Und lass dich beschenken.“
Ihr Diakon Andreas Eberhorn