Adventsmail - 14. Dezember 2024

Adventskranz mit zwei brennenden Kerzen
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Wie lesen Sie die Zeitung?

Mancher Leser liest die Zeitung von hinten her, mancher von vorne. Mancher Autor schreibt sein Werk vom Ende her, mancher vom Anfang. Die vier Evangelien sind vom Ende her geschrieben: Vom Tod und der Auferstehung Jesu. In einem zweiten Schritt legen sie das Leben Jesu dar. Begegnungen und Berufungen, Reden und Streitgespräche, Heilungen und Wunder folgen dem Konzept, das der Verfasser seiner Erzählung zugrunde legt. Entscheidend ist, dass Jesus von Gott kommt – seine Kindheit aber spielt kaum eine Rolle. Die Geburt Jesu in Betlehem finden wir nur bei Lukas, bei den anderen drei Evangelisten nicht. Der Grund dafür liegt darin, dass die Weihnachtsgeschichte auf der Leidens- und der Ostergeschichte fußt. Weil Gott Jesus vom Tod auferweckt hat, bekommt bereits seine Geburt eine neue Leserichtung. Was nach außen hin eine Geburt in Elend und Not ist, erscheint den Glaubenden als göttliches Handeln: Engel verkünden Frieden auf Erden, und die Hirten werden zu Zeugen des Beginns einer neuen Zeit.
Die Weihnachtsgeschichte ist der Anfang vom Ende, und zwar vom guten Ende. Gerade deshalb steht Weihnachten in Gefahr: Wenn das Fest nicht vom guten Ende her gelesen wird, wird es zur bloßen Stimmung, zum naiven Zauber, zur Kindheitserinnerung, die nur noch Trauer auslöst, weil es nie mehr so schön sein wird, wie es einmal mit den glänzenden Kinderaugen war. Weihnachten stimmt dann, wenn Erwachsene, die durch Abgründe, Krisen und Brüche ihres Lebens hindurchgegangen sind, für sich bejahen können: Ja, es gibt diesen Zauber des Anfangs, weil er vom guten Ende durchwirkt ist.
Ich lese die Zeitung von vorne. Ich gehe Weihnachten entgegen und lasse mich allmählich von diesem Zauber des Anfangs ergreifen. Wir feiern Gott, der in der Geschichte der Welt und im Leben der Menschen handelt. Davon gerne mehr.


Ihr P. Stephan Panzer
Katholische Seelsorge
Malteser Waldkrankenhaus St. Marien